Workshop: Eine Produktion von A bis Z mit Nora Nagel & Sara Lienemann

Veröffentlicht von jw am

„Bald gebe ich endlich meine Bachelorarbeit ab“, erzählte Nora Nagel zu Beginn und sorgte bei vielen für Staunen. Denn Nora Nagel und Sara Lienemann arbeiten schon recht lange bei der bildundtonfabrik und leiten das Onlineteam von „docupy“. Angefangen hat alles 2017 mit der ersten Staffel „Ungleichland“, danach folgte die zweite Staffel „Heimatland“  und schließlich die dritte mit dem Titel „Neuland“. Im Workshop wurden verschiedene Clips gezeigt und anhand dieser verschiedene Produktionsabläufe erklärt. Anschließend konnten die Teilnehmer*innen Fragen stellen.

Beispiel: 219 weibliche Abgeordnete: Spielt Ihr Geschlecht eine Rolle?

Ist docupy ein stetiges Format, oder müsst ihr das immer neu beantragen?

„Die dritte Staffel läuft bis April 2020. Danach müssen wir eine neue Kostenkalkulation aufstellen und uns mit einem neuen Thema bewerben. Aber langfristig soll docupy eine richtige Marke werden.“

Wurde der Clip auch in eurer Dokumentation bzw. im Fernsehen gezeigt?

„Der Clip und somit das Thema Sexismus fand in der Dokumentation, die dann in der ARD und im WDR lief, keinen Platz. Der Clip wurde aber online gepostet.“ 

Habt ihr den Clip über Sexismus absichtlich aus dem Film rausgenommen?

„Im Film ging es so stark um Reichtum, Macht und Ungleichheit. Das Thema Sexismus wäre nur so ‚halb‘ angesprochen worden und das fühlte sich nicht richtig an, weshalb wir es dann online ausführlicher behandelt haben.“

Wie lang sind immer eure Clips?

„Damals gab es feste Vorgaben bei Twitter, da konnten wir nur 2:20 Minuten lange Videos hochladen. Das ist mittlerweile anders, jetzt sind ungefähr vier bis fünf Minuten möglich. Das ist uns leider bei den allerersten Clip nicht bewusst gewesen, als wir sie hochgeladen haben. Da mussten wir noch ganz schnell was rausschneiden.“

Welche Social Media Plattform läuft am erfolgreichsten?

„Facebook hat tatsächlich die größte Reichweite, obwohl immer mehr Leute sagen, dass sie es kaum oder gar nicht mehr nutzen. Auf Twitter kriegen wir zwar nicht die meisten Klicks, aber dafür diskutieren die User dort am meisten.

Uns ist das ‚Seeding‘ aber etwas wichtiger.  Wir streuen unsere Inhalte möglichst viel auch in anderen Plattformen. Beispielsweise schicken wir Spiegel Online unsere Clips und am Ende des Videos wird dann der WDR genannt, damit man das Video zuordnen kann. Es geht uns also nicht darum, dass wir alle Klicks erhalten, sondern dass wir generell eine große Reichweite erhalten.

Allerdings müssen wir auch hinzufügen, dass Leute, die ‚docupy‘ liken, halt auch die Süddeutsche abonnieren oder Jan Böhmermann liken. Also da muss man auch darauf achten, dass man nicht nur Menschen in der Blase erreicht. Das Problem ist auf Twitter stärker als auf Facebook.“

Wie groß ist euer Team?

„Mit Ton, Kamera und Schnitt sind wir 13 – 14 Leute.“

Beispiel: Männliche Abgeordnete & Sexismus

Achtet ihr darauf, dass alle Parteien in diesen Clips vertreten sind?

„Wir schauen uns immer an, wie stark die Parteien im Bundestag vertreten sind und rechnen dann tatsächlich aus, wie viel Bildfläche die jeweiligen Abgeordneten dann in unseren Clips erhalten, sodass es repräsentativ bleibt.“

Gab es nach dem Clip Feedback von Politiker*innen?

Ein Abgeordneter hatte uns unterstellt, eine Szene aus dem Zusammenhang gerissen zu haben. Wir konnten allerdings belegen, dass wir natürlich korrekt gearbeitet hatten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem WDR?

„Die Inhalte unserer Clips und Dokus werden von einem Redaktionsteam im WDR angeschaut und abgenommen. Viele Abläufe passieren parallel und weil wir schon viel zusammengearbeitet haben, lässt der WDR uns auch viel Gestaltungsraum. Wir produzieren alles und strahlen es auf dem WDR-Sendeplatz dann aus.“

Es klingt alles sehr eingespielt. Wie waren die Anfänge bei dieser Staffel?

„Wir wurden ein wenig ins kalte Wasser geschmissen. Manchmal war das aber auch ein Vorteil für uns, dass wir da so naiv an die Politiker*innen rangegangen sind und einfach mal geschaut haben, was passiert. So waren wir eben auch nicht voreingenommen. Eva Müller, die sich mit dem ganzen Dokumentation-Stil auskennt, hat uns dann noch kurz gebrieft, worauf wir achten müssen. Aber dadurch, dass wir so viele Politiker*innen interviewt haben, hat man natürlich auch viele Erfahrungen gesammelt. Es fühlte sich wie ein Schnell-Volo an und es war viel learning by doing.“

Beispiel: Wie viel verdient Lars Eidinger und wie viel die Komparsin Nele Glier?

„Das Video mit Lars Eidinger hatte auch eine große Reichweite. Ein paar Wochen später wurde über das Transparenzgesetz diskutiert. Irgendwann hat sich ein User bei uns gemeldet. Er wollte sein Gehalt online veröffentlichen und hat uns gefragt, wo er das machen könnte. Daraufhin haben wir ihm nur gesagt, dass er das einfach mit dem Hashtag #ungleichland bei Twitter posten soll. Danach haben ganz viele nachgezogen und das gleiche getan. Das war unglaublich spannend zu beobachten, weil wir gar nicht offiziell dazu aufgerufen haben. Das Material, was wir dann online erhalten haben, konnten wir dann später in unserer Dokumentation nutzen.“

Beispiel: Gibt es Neonazis in Ihrem Alltag?

Eure Talks und die andere Ästhetik werden mittlerweile oft kopiert, wie findet ihr das?

„Also lieber möchten wir kopiert werden, als das Leute einen egal finden. Es gab mal ein großes Nachrichtenmagazin, was einen ähnlichen Namen hatte und vieles ähnlich gemacht haben – nur in etwas besser – das war dann ein bisschen blöd. Aber wir kennen das ja auch, wir orientieren uns auch an anderen Formaten und lassen uns davon inspirieren.“

Ihr regt zu Diskussionen an. Seid ihr viel mit Hatespeech konfrontiert? Wie geht ihr damit um?

„Wir haben eine Nettiquette. Wir löschen auch Kommentare, wenn man dagegen verstößt. Bei Twitter kann man leider keine Kommentare löschen, dort kann man Beiträge nur melden — damit hatten wir noch nie Erfolg. Dann blieb uns nur noch die Möglichkeit, gewisse User zu blocken. Aber die Community maßregelt sich auch gegenseitig, was sehr gut ist. Freitag hatten wir einen Clip mit Rezo veröffentlicht, da ging es tatsächlich total ab. Nicht mit Hatespeech in dem Sinne, aber es wurde sehr viel diskutiert und es wurde uns ganz viel vorgeworfen, wir hätten falsch gearbeitet etc.“

Beispiel: Was ist Netzneutralität?

„Bevor wir die dritte Staffel angegangen sind, gab es einen Aushandlungsprozess, ob wir ‚Klimaland‘ oder ‚Neuland‘ produzieren. Beide Themen dominieren derzeit. Wir haben zwar nicht einstimmig entschieden, aber die Wahl fiel dann auf Neuland.“

Habt ihr einen geregelten Arbeitsablauf?

„Zwischen 9:00 Uhr / 9:30 Uhr kommen die meisten ins Büro. Wenn es brennt, dann arbeiten wir auch mal bis 23:00 Uhr, aber dann kommt man am nächsten Tag erst gegen Mittag wieder. Bei der ersten Staffel war es auch noch anders, jetzt sind wir besser eingespielt.“

Arbeitet ihr immer in einem festen Team?

„Wir sind tatsächlich im Kern, seit der ersten Staffel, die gleichen geblieben. Aber es ist zum Beispiel noch eine Volontärin von der bildundtonfabrik dazugekommen.

Bei den Medienfrauen NRW 2018 hat uns auch eine Teilnehmerin gefragt, ob wir auch ein Praktikum anbieten würden und die war tatsächlich bis letzte Woche bei uns im Team und hat ein Praktikum gemacht. Auch ihr könnt euch gerne bei uns melden: Nora.nagel@btf.de, oder über die Social-Media-Kanäle.“

von Christina Pagés

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