Medienfrauen 2012

Veröffentlicht von jw am

Als ich 2011 das erste Mal zum Medienfrauen Informationstag eingeladen wurde, wusste ich noch nicht genau, was mich erwarten würde. Einen Stand sollte ich im Mediapark 7 einrichten und dort jungen Frauen davon erzählen, wie ich zu meinem Beruf gekommen war.

Ich habe mich gefragt, ob eine Veranstaltung von Frauen für Frauen der richtige Weg wäre, mit Vorurteilen über angebliche Schwächen des weiblichen Geschlechts aufzuräumen und ich war neugierig, ob Frauen eine andere Sicht auf die Medienlanschaft hätten als Männer.

Ich bin mir im Klaren darüber, dass Frauen prozentual gesehen in Deutschland seltener in Führungspositionen sind und auch im Vergleich zu Kollegen oftmals weniger verdienen. Dieser Missstand war auch den Schülerinnen und Studentinnen bewusst, die zur Veranstaltung kamen um sich über Zukunftschancen zu informieren.

In bunt gemischten Gesprächsrunden bei einer Tasse Kaffee kristallisierte sich für alle Beteiligten heraus, dass es viel mehr Berufsbilder gibt als nur die klassischen Journalistinnen bei Tageszeitungen, Radiomoderatorinnen oder auch Fernsehmoderatorinnen. Solche Berufsbilder haben viele Schülerinnen und Schüler vor Augen, wenn sie versuchen, sich in den journalistischen Beruf hineinzudenken. Sowohl 2011 als auch 2012 Gesprächsthema: jedes Jahr entstehen viele neue Berufe in den Medien rund um das Thema Communities, Crowdsourcing, Online-Redation, IPTV oder Gaming. Der Werdegang anwesender Damen mit festem oder freiem Beruf ist dabei so unterschiedlich und bunt wie die vielen neu heransprießenden Berufsfelder. Manch eine ging direkt mit 19 zu einem Tagesblatt, andere studieren erst Kulturjournalismus, Film, Komparatistik, Journalismus, Informatik, VWL, Germanistik, Skandinavistik, Medienwirtschaft oder Bibliothekswesen, um nur einige wenige Studiengänge zu nennen.

Die „Angst vor dem Schwimmen“ schwindet in den Gesprächsrunden immer schnell, denn offensichtlich geht es bei der Berufsfindung nicht darum, dass man als erste Kandidatin irgendwo in der richtigen Schlange stehen muss, exakt die richtige Wahl treffen muss, dass man scheitert, wenn man sich nur einmal für den „falschen“ Weg entscheidet. Der Weg ist das Ziel! Lernen ist nicht gleich Schule und Studium, dann in einem schicken Büro verschwinden und dort bis zum Beginn der Rente bei festgezurrten Arbeitszeiten und finalem Gehalt immer ein und dasselbe zu tun.

Lernen bedeutet, alles Wissen aufzusaugen das des Weges kommt, in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, was man mit Leidenschaft tun möchte. Das Lernen, das die Freude am Beruf erhält und die Grundlage für Erfolg schafft bedeutet, gut zu sich zu sein, die Augen offen zu halten, anzupacken wo Aufgaben anfallen. Die eigenen Stärken und Schwächen kennen, im Sozialen Netzwerk Büro zurechtkommen, Netzwerke in Beruf und privatem Umfeld aufzubauen. Die Suche nach dem richtigen Beruf ist auch die Suche nach sich selbst.

Nach dem Vorangegangenen ist es nur noch eine Fußnote zu erwähnen, dass der erste Job den man findet, meist nicht der Job sein wird, dem man sein Leben lang nachgehen wird. Die neuen Medien entwickeln sich weiter, damit entwickeln sich die „alten“ Medien weiter, die Berufsbilder verändern sich und damit verändern auch wir selbst uns und unsere Sicht auf die Dinge. Für mich ist es damit nur noch eine Frage der Zeit, bis Kindergärtner nichts Besonderes mehr sind, bis Managerinnen überhaupt nichts besoderes mehr sind und auch Politikerinnen nicht mehr gefragt werden, ob sie bemerkt haben, dass sie als Frauen auf weiter Flur ziemlich aus der Masse hervorstechen.

Wir alle sind uns einig, dass wir nichts Besonderes sein wollen. Wir wollen, dass das Wort Beruf von Berufung kommt, wir wollen in Beruf und Familie glücklich sein und wir wollen unseren Kindern das Gefühl geben können, dass sie zu jeder Zeit jeden Beruf ergreifen dürfen, der ihrem Charakter gerecht wird, ohne dass die Nachbarn fragen, wieso der kleine Paul nun Hairstylist geworden sei.

Warum, fragt man sich am Ende des Tages, leben wir in einer Gesellschaft, in der es bereits völlig normal ist in zahlreichen Familien, dass die Kinder ohne Vorbehalte das lernen dürfen, was sie von Herzen lernen wollen – Während Frauen aus solchen Familen dann doch am Ende ihrer Schulzeit bitter erfahren müssen, dass sie beim „unter den Hut bringen“ von Kind und Beruf vom Staat, von der Gesellschaft und im schlechtesten Falle sogar von ihrem Mann oder Lebensgefährten allein gelassen werden?

Eine kluge Frau, die heute noch eines meiner großen weiblichen Vorbilder ist, hat einmal zu mir gesagt, dass man nicht glauben dürfte, Kinder und Haushalt könnten als einziger Lebensinhalt das Glück einer Frau vollständig ausmachen. Natürlich hat sie auch vielmals betont, dass ihre wunderbaren Kinder ihr größtes Glück sind und immer sein werden. Was wäre also das Leben ohne intellektuelle Nahrung, kulturelle Köstlichkeiten, ohne die Mitgestaltung des sozialen Umfeldes außerhalb der Familie, ohne Freunde, ohne große Ziele, einen erfüllenden Beruf…

Biologisch ist die Welt nunmal so beschaffen, dass unsere Kinder ohne Mann und Frau nicht den Kreislauf ihres Lebens beginnen können. Dabei ist es die Frau, welche ihren Körper und Geist über einen Zeitraum von mehr als 9 Monaten gewissenhaft pflegen und behüten muss. Dabei finde ich es eine wundervolle Tatsache, dass der Mann ebensoviel „Aktien“ daran hat, ob sein Nachwuchs glücklich und gesund heranwachsen kann. Er muss bereits dann für sein Kind sorgen, wenn es noch im Mutterleib heranwächst, denn wie fühlt sich eine Mutter die allein wegen des Kinderwunsches ihren Beruf aufgeben muss und das Gefühl hat, nie wieder dort anknüpfen zu können, wo sie mal einen wissenschaftlichen Weg beschritten, ein Unternehmen gegründet, eine Abteilung geleitet oder eine Baumschule gepflanzt hatte?

Ein neuer Mensch möchte für sich die Welt erfahren, er möchte sich selbst begreifen und sich entfalten. Haben Männer mehr das Recht dazu als Frauen? Ganz sicher nicht! – und ich bin froh, dass wir heute in Deutschland in einer Gesellschaft leben, in der Frauen an Universitäten nicht als Sonderlinge angesehen werden, in der deutsche PR Managerinnen in China genauso häufig anzutreffen sind wie männliche, in der es normal ist, dass eine KFZ-Mechatronikerin meinen Blinker repariert und eine Dekanin kein Aufsehen wegen ihres weiblich-Seins erregt sondern weil sie in ihrem Bereich eine Koryphäe ist und vielleicht auf beeindruckende Weise Frieden stiftet, wo Ketten rasseln. 

Um sich den Fortschritt in den letzten rund 100 Jahren eimal kurz vor Augen zu führen, betrachte man nur folgendes Zitat:

„Einzelne Damen in dieser oder jener Vorlesung thun
natürlich keinen Schaden, aber wenn, wie es jetzt den
Anschein hat, einmal ganze Scharen von inländischen oder
ausländischen Damen in die Hörsäle einströmen werden,
so muß mit der Zeit der wissenschaftliche und soziale
Charakter unserer Universitäten Veränderungen erleiden,
und das möchte ich so lange und so sehr es irgend möglich
ist, zu verhüten suchen.“

Prof. Dr. phil. Hans Delbrück
(Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, 1897)

1960 lehnten noch 36% aller deutschen Professoren weibliche Professoren ab und es gab keinerlei Infrastruktur für Frauen, die Kind und Studium vereinbaren wollten. Vor diesem Hintergrund können wir als Gesellschaft Stolz auf das sein, was wir in den letzten 40-50 Jahren geschaffen haben. Ich bin dankbar, in dieser Gesellschaft leben zu dürfen, ich fühle mich privilegiert als Mensch den Beruf ergreifen zu dürfen, zu dem ich mich berufen fühle.

Ich freue mich über die ermunternden Worte, die Dr. Angelica Schwall-Düren und Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes am heutigen 6. März 2012 an uns alle richten konnten. Sie betonten, dass das männlich-weibliche Lohngefälle von Generation zu Generation bereits jetzt sichtbar schwindet, manche Schülerin, die bald ihr Abitur macht, muss sich nur noch einem prozentualen Lohn-Nachteil von (in manchen Berufen circa) 8%-10% gegenübersehen. Das ist immernoch ein Nachteil. Aber erfreulicherweise gibt es ihn nicht in den Firmen, die ich bis jetzt persönlich kennengelernt habe. Soetwas auch von anderen Teilnehmerinnen der „Medienfrauen“ zu hören, ist erfreulich.

Ich hoffe von ganzem Herzen dass wir in wenigen Jahren gar nicht mehr mit dieser unfairen Benachteiligung zu kämpfen haben. Ich hoffe, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird, so dass ich meinen eigenen Nachwuchs in guten Händen wissen kann, wenn ich weiterhin meinem Beruf nachgehe. Ich möchte meine Kinder nicht an Institutionen „abschieben“, damit ich egoistisch meinen Traum leben kann. Meine Kinder gehören zu meinem persönlichen Glück ebenso, wie mein Beruf. Wie vielen Frauen und Männern ist mir die Familie wichtiger als alles Geld, Gold, Geschmeide oder ein Beruf. Aber wie schon gesagt, der Beruf ist ein Teil meines persönlichen Freiraumes, mein Büro ist ein Platz an dem ich schaffen und gestalten kann. In meinem Empfinden ist die Medienbranche ein Ort, an dem Gleichberechtigung selbstverständlich ist und ich fühle mich dort wohl.

Wir sollten nicht vergessen wie privilegiert wir sind, aber wir sollten auch nie nachlassen unsere persönlichen Werte immer wieder zu hinterfragen und jeden Menschen als Individuum anzusehen, egal woher er kommt, wo er arbeitet, welcher Religion er angehört, welche Familienform er lebt oder welchen Geschlechts er ist.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Anette Schneider bedanken, die mich in diesem Jahr wieder eingeladen hatte und die dieses Event maßgeblich prägt. Ohne sie hätte ich nicht die drei Studentinnen aus Duisburg getroffen, die sich unter Scrum-Prozessen im praktischen Berufsalltag (sie kannten die Theorie aus ihrem Informatikstudium) noch nichts Genaues vorstellen konnten. Ich konnte ihnen ihre Fragen nach dem ungefähren Berufsbild einer Scrum-Meisterin erklären und da ich bis jetzt nur Scrum-Meister kenne und diese drei sich nun persönlich vorstellen können, diesen Beruf anzustreben (ohne meinen Bericht hätten sie das vermutlich als konkreten Berufswunsch nicht in Erwägung gezogen) – wurde wohl genau das erzielt, was diese Veranstaltung bezweckt. Gemeinsam haben wir neue Perspektiven eröffnet für ein Berufsfeld, in dem die Frauenquote gerne höher sein dürfte.

Ein Dank geht auch an alle Referentinnen und besonders an Claudia Pelzer, mit der ich einen Workshop zum Thema Crowdsourcing und Internet Marketing/ Community Management/ Online PR abhalten durfte.

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